Schulbuch-Kritik: Türkei und der „dauergereizte” Freund
Während
man selbstverständlich die Ausspähung der Türkei durch den BND
verteidigt, über Waffenlieferungen an die Terrororganisation PKK
diskutiert und damit langjährig geführte Friedensgespräche durchkreuzt,
die Repräsentanten der Türkei mit „Hitlervergleichen“ beleidigt,
verbittet man sich im Gegenzug jegliche Kritik, jegliche Einmischung und
reagiert erstaunlich gereizt. Eine extrem selbstgerechte Haltung.
Die
reflexartigen Reaktionen auf die Schulbuch-Kritik aus Ankara machen in
Deutschland eines deutlich: Wenn es um eine Kritik aus dem Herkunftsland
ihrer 3 Millionen türkischstämmigen Einwohner geht, bekommen unsere
Politiker eine extrem dünne Haut.
Weder in der Sache noch prinzipiell ist ein derartiger Umgang mit dem türkischen Partner gerechtfertigt. Die Kritik der türkischen Eltern und des türkischen Außenministeriums richtet sich nicht, wie die ablenkenden Antworten unserer Politiker vermuten lassen, auf den Abdruck einer Karikatur in einer Zeitung, sondern das diese Karikatur in Schulbüchern zu finden ist.
In einem Schulbuch die Migration anhand einer Karikatur, indem das türkische Staatsoberhaupt als Hund abgebildet ist, zu analysieren ist geschmacklos und käme einem türkischen Schulbuch gleich, dass das deutsche Staatsversagen bei der rechtsextremen Terrorzelle NSU mit einem deutschen Staatsoberhaupt in SS-Uniform analysiert.
Das sollte für jedermann nachvollziehbar sein. Für solche Karikaturen sind eher Zeitungen zuständig und nicht Schulbücher, die Wissen wertfrei vermitteln sollten.
Deshalb sind Äußerungen, die sich auf die angeblich fehlende „Meinungsfreiheit in der Presse“ beziehen, nichts als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem, nämlich dem „Einzug von Ressentiments und Vorurteilen gegenüber anderen Staaten in deutsche Schulbücher“.
Noch scheinheiliger wirken die, in diesem Kontext an die Türkei gerichteten, Appelle. Nicht nur deswegen, weil sich die türkische Kritik auf das Schulbuch bezieht und nicht auf einen Zeitungsabdruck, sondern auch deshalb, weil unsere eigenen Politiker im umgekehrten Fall sogar für Zeitungskarikaturen nur wenig „Gelassenheit“ bewiesen haben. Als Bundeskanzler Schröder in einer türkischen Tageszeitung als Nationalsozialist dargestellt wurde, löste das bei unseren Politikern eine Welle der Empörung los. Keiner von diesen Politikern berief sich damals auf die Meinungs- oder gar Pressefreiheit.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler forderte die Bundesregierung auf, bei der türkischen Regierung einzuschreiten. Die „Beleidigungen und Hasskampagnen gegen deutsche Politiker“ seien „inakzeptabel“ und eine „Schande“ für die Türkei, hieß es damals.
Die Junge Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte Außenminister Joschka Fischer (Grüne) auf, sich in Ankara für eine „rechtsstaatliche Verfolgung dieser Beleidigungen“ und „Bedrohungen“ einzusetzen. Der Schutz der Bundestagsrede und des Redners vor Repressalien sei verfassungsrechtlich zugesichert.
Dieter Wiefelspütz (SPD) sagte damals “Ich appelliere an die türkischen Behörden, dafür zu sorgen, dass so etwas dauerhaft unterlassen wird.”
Kaum vorzustellen, wie heftig die Kritik ausgefallen wäre, wenn, wie im Falle von Erdoğan in deutschen Schulbüchern, Schröder in türkischen Schulbüchern in Uniform mit Runen und Hakenkreuz versehen, dargestellt würde, um den türkischen Schülern die NSDAP und das Dritte Reich zu erklären – oder die heutige “Integrationspolitik”, die eher zu einer Ausgrenzungspolitik mutiert.
Die aggressive Haltung gegenüber Ankara muss sich ändern
Die aktuellen Reaktionen sind symptomatisch für den problematischen Umgang unserer Politiker mit dem türkischen Staat.
Während man selbstverständlich die Ausspähung der Türkei durch den BND verteidigt, über Waffenlieferungen an die Terrororganisation PKK diskutiert und damit langjährig geführte Friedensgespräche durchkreuzt, die Repräsentanten der Türkei mit „Hitlervergleichen“ beleidigt, sich in innenpolitische und gesellschaftliche Diskussionen einmischt, verbittet man sich im Gegenzug jegliche Kritik, jegliche Einmischung und reagiert erstaunlich gereizt auf Meinungen aus der Türkei. Eine extrem selbstgerechte Haltung.
Kretschmanns Reaktion auf die Schulbuchkritik ist beispielhaft dafür, wie innertürkische Prozesse aufgegriffen und missbraucht werden. In der Presseerklärung zum Karikaturthema, thematisiert er die „alevitische Gemeinde“ in der Türkei und wirft Erdoğan vor, er wolle von Rechtsstaatsproblemen im eigenen Land ablenken. Er solle sich darum kümmern, wie er selbst mit Kritikern umgehe: “Das ist uns bekannt und missfällt uns außerordentlich.”
Kretschmann greift ein innergesellschaftliches Diskussionsthema in der Türkei auf, um es ihr als Kritik vorzuhalten, aber verbittet sich eine Kritik in Themen, die türkische Staatsbürger in Deutschland betreffen. Da kommt die ernst zunehmende Frage auf, was in den Köpfen der Politiker bei solch widersprüchlichen Äußerungen eigentlich vorgeht?
Mehr Empathie im Klima des zunehmenden Rassismus und Islamfeindlichkeit
Besonders im Hinblick auf das katastrophale Versagen des deutschen Staates im Falle der NSU-Terrorzelle, die zunehmenden Brandanschläge auf Moscheen, die Opfer rechtsextremer Brandanschläge in Mölln und Solingen, hat die türkische Regierung mehr als nur einen Grund genauer auf die Entwicklung in Deutschland zu schauen. Denn betroffen sind ihre Staatsbürger.
Politiker, die bei den USA, Israel und europäischen Partnern sich die Samthandschuhe überziehen, sollten sich beim türkischen Partner zumindest ihre Boxhandschuhe ausziehen und ihre Aversionen in Zaum halten. Sonst dienen diese missverständlichen Reaktionen eher als eindeutige Belege für die ignorante und ablehnende Haltung gegenüber dieser Gruppe von Menschen in Deutschland.
Besonders im Klima des zunehmenden Rassismus und der Islamfeindlichkeit wäre ein Mindestmaß an Empathie für die Unsicherheit der Migranten wichtiger denn je. Doch die wirre Reaktion auf die Kritik der türkischen Eltern und des türkischen Außenministeriums auf ein Schulbuch, wo das türkische Staatsoberhaupt als „angeketteter Hund“ dargestellt wird, lässt weiterhin einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Gruppe von Migranten missen. Anstatt eines behutsamen Umgangs mit Sorgen und Ängsten der Bürger, zündelt man mit populistischen „Kümmer dich um dein Land“ Vorstößen.
Die Bundestagsabgeordneten Cemile Giousuf (CDU) und Oliver Wittke(CDU) haben in so einer Zeit, die Sorgen von türkischen Eltern in Deutschland ernst genommen und forderten, anstatt Hundeabbildungen von anderen Staatspräsidenten in Schulbücher zu drucken, Wissen und «auch Werte wie Respekt vor anderen Völkern und deren Repräsentanten, zu vermitteln». Das verdient Achtung und Anerkennung und keine unverständlichen Reflexe.
Weder in der Sache noch prinzipiell ist ein derartiger Umgang mit dem türkischen Partner gerechtfertigt. Die Kritik der türkischen Eltern und des türkischen Außenministeriums richtet sich nicht, wie die ablenkenden Antworten unserer Politiker vermuten lassen, auf den Abdruck einer Karikatur in einer Zeitung, sondern das diese Karikatur in Schulbüchern zu finden ist.
In einem Schulbuch die Migration anhand einer Karikatur, indem das türkische Staatsoberhaupt als Hund abgebildet ist, zu analysieren ist geschmacklos und käme einem türkischen Schulbuch gleich, dass das deutsche Staatsversagen bei der rechtsextremen Terrorzelle NSU mit einem deutschen Staatsoberhaupt in SS-Uniform analysiert.
Das sollte für jedermann nachvollziehbar sein. Für solche Karikaturen sind eher Zeitungen zuständig und nicht Schulbücher, die Wissen wertfrei vermitteln sollten.
Deshalb sind Äußerungen, die sich auf die angeblich fehlende „Meinungsfreiheit in der Presse“ beziehen, nichts als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem, nämlich dem „Einzug von Ressentiments und Vorurteilen gegenüber anderen Staaten in deutsche Schulbücher“.
Noch scheinheiliger wirken die, in diesem Kontext an die Türkei gerichteten, Appelle. Nicht nur deswegen, weil sich die türkische Kritik auf das Schulbuch bezieht und nicht auf einen Zeitungsabdruck, sondern auch deshalb, weil unsere eigenen Politiker im umgekehrten Fall sogar für Zeitungskarikaturen nur wenig „Gelassenheit“ bewiesen haben. Als Bundeskanzler Schröder in einer türkischen Tageszeitung als Nationalsozialist dargestellt wurde, löste das bei unseren Politikern eine Welle der Empörung los. Keiner von diesen Politikern berief sich damals auf die Meinungs- oder gar Pressefreiheit.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler forderte die Bundesregierung auf, bei der türkischen Regierung einzuschreiten. Die „Beleidigungen und Hasskampagnen gegen deutsche Politiker“ seien „inakzeptabel“ und eine „Schande“ für die Türkei, hieß es damals.
Die Junge Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte Außenminister Joschka Fischer (Grüne) auf, sich in Ankara für eine „rechtsstaatliche Verfolgung dieser Beleidigungen“ und „Bedrohungen“ einzusetzen. Der Schutz der Bundestagsrede und des Redners vor Repressalien sei verfassungsrechtlich zugesichert.
Dieter Wiefelspütz (SPD) sagte damals “Ich appelliere an die türkischen Behörden, dafür zu sorgen, dass so etwas dauerhaft unterlassen wird.”
Kaum vorzustellen, wie heftig die Kritik ausgefallen wäre, wenn, wie im Falle von Erdoğan in deutschen Schulbüchern, Schröder in türkischen Schulbüchern in Uniform mit Runen und Hakenkreuz versehen, dargestellt würde, um den türkischen Schülern die NSDAP und das Dritte Reich zu erklären – oder die heutige “Integrationspolitik”, die eher zu einer Ausgrenzungspolitik mutiert.
Die aggressive Haltung gegenüber Ankara muss sich ändern
Die aktuellen Reaktionen sind symptomatisch für den problematischen Umgang unserer Politiker mit dem türkischen Staat.
Während man selbstverständlich die Ausspähung der Türkei durch den BND verteidigt, über Waffenlieferungen an die Terrororganisation PKK diskutiert und damit langjährig geführte Friedensgespräche durchkreuzt, die Repräsentanten der Türkei mit „Hitlervergleichen“ beleidigt, sich in innenpolitische und gesellschaftliche Diskussionen einmischt, verbittet man sich im Gegenzug jegliche Kritik, jegliche Einmischung und reagiert erstaunlich gereizt auf Meinungen aus der Türkei. Eine extrem selbstgerechte Haltung.
Kretschmanns Reaktion auf die Schulbuchkritik ist beispielhaft dafür, wie innertürkische Prozesse aufgegriffen und missbraucht werden. In der Presseerklärung zum Karikaturthema, thematisiert er die „alevitische Gemeinde“ in der Türkei und wirft Erdoğan vor, er wolle von Rechtsstaatsproblemen im eigenen Land ablenken. Er solle sich darum kümmern, wie er selbst mit Kritikern umgehe: “Das ist uns bekannt und missfällt uns außerordentlich.”
Kretschmann greift ein innergesellschaftliches Diskussionsthema in der Türkei auf, um es ihr als Kritik vorzuhalten, aber verbittet sich eine Kritik in Themen, die türkische Staatsbürger in Deutschland betreffen. Da kommt die ernst zunehmende Frage auf, was in den Köpfen der Politiker bei solch widersprüchlichen Äußerungen eigentlich vorgeht?
Mehr Empathie im Klima des zunehmenden Rassismus und Islamfeindlichkeit
Besonders im Hinblick auf das katastrophale Versagen des deutschen Staates im Falle der NSU-Terrorzelle, die zunehmenden Brandanschläge auf Moscheen, die Opfer rechtsextremer Brandanschläge in Mölln und Solingen, hat die türkische Regierung mehr als nur einen Grund genauer auf die Entwicklung in Deutschland zu schauen. Denn betroffen sind ihre Staatsbürger.
Politiker, die bei den USA, Israel und europäischen Partnern sich die Samthandschuhe überziehen, sollten sich beim türkischen Partner zumindest ihre Boxhandschuhe ausziehen und ihre Aversionen in Zaum halten. Sonst dienen diese missverständlichen Reaktionen eher als eindeutige Belege für die ignorante und ablehnende Haltung gegenüber dieser Gruppe von Menschen in Deutschland.
Besonders im Klima des zunehmenden Rassismus und der Islamfeindlichkeit wäre ein Mindestmaß an Empathie für die Unsicherheit der Migranten wichtiger denn je. Doch die wirre Reaktion auf die Kritik der türkischen Eltern und des türkischen Außenministeriums auf ein Schulbuch, wo das türkische Staatsoberhaupt als „angeketteter Hund“ dargestellt wird, lässt weiterhin einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Gruppe von Migranten missen. Anstatt eines behutsamen Umgangs mit Sorgen und Ängsten der Bürger, zündelt man mit populistischen „Kümmer dich um dein Land“ Vorstößen.
Die Bundestagsabgeordneten Cemile Giousuf (CDU) und Oliver Wittke(CDU) haben in so einer Zeit, die Sorgen von türkischen Eltern in Deutschland ernst genommen und forderten, anstatt Hundeabbildungen von anderen Staatspräsidenten in Schulbücher zu drucken, Wissen und «auch Werte wie Respekt vor anderen Völkern und deren Repräsentanten, zu vermitteln». Das verdient Achtung und Anerkennung und keine unverständlichen Reflexe.