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Synonyme

Bandscheibenprolaps, Nucleus pulposus prolaps, NPP, Nucleus-Pulposus-Prolaps, Diskusprolaps, Protrusio
Verwandte Begriffe: Ischiasschmerz, Bandscheibenvorwölbung, Bandscheibenprotrusion, Hexenschuß, Lumbalgie, Lumbago, Lumboischialgie, Rückenschmerzen, Bandscheibe
Häufiger Tippfehler: Banscheibenvorfall, Bandschiebenvorfall
Englisch: prolapsed intervertebral disc, herniated disc

Definition Bandscheibenvorfall

Unter einem Bandscheibenvorfall versteht man die plötzliche oder langsam zunehmende Verlagerung, bzw. den Austritt von Gewebe des Nucleus pulposus (Gallertkern der Bandscheibe) einer Bandscheibe nach hinten in den Rückenmarkskanal (Spinalkanal) oder hinten-seitlich (Nervenwurzel). Hierbei kann es durch Druck auf Nervenwurzeln zu Schmerzen, Lähmungen und / oder Gefühlsstörungen kommen. Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) treten wesentlich häufiger auf als Bandscheibenvorfälle im Bereich der Halswirbelsäule (HWS).

Abbildung Bandscheibenvorfall

Abbildung Bandscheibenvorfall (A), (B) und gesunde Bandscheibe (C)
      Bandscheibenvorfall -
      Nucleus-pulposus-Prolaps
      A - Bandscheibenvorfall von links
      B - Bandscheibenvorfall von oben
      C - Gesunde Bandscheibe
      a - Hals- und Brustbereich
      b - Lendenbereich
  1. Faserring - Anulus fibrosus
  2. Gallertkern Nucleus pulposus
    1. + 2. Bandscheibe
    (Zwischenwirbelscheibe) -
    Discus inter vertebralis
  3. Rückenmarknerv - N. spinalis
  4. Rückenmark - Medula spinalis
  5. Wirbelkörper - Corpus vertebrae
  6. Dornfortsatz - Processus spinosus

Epidemiologie

Rückenschmerzen alleine sind kein Indiz für das Vorhandensein eines Bandscheibenvorfalles. Generell ist es sehr schwierig, die Ursachen von Rückenschmerzen ausfindig zu machen. Auch Röntgenbilder können nicht immer die erwünschte Klarheit verschaffen.
Um aufzuzeigen, dass Rückenschmerzen und das tatsächliche Vorhandenseine eines pathologischen (= krankhaften) Bandscheibenbefundes nicht immer zwingend sind, soll an dieser Stelle beispielartig die Studie von Jensen angeführt werden. Diese randomisierte, kontrollierte Studie arbeitete mit MRT-Untersuchungen der Lendenwirbelsäule und untersuchte dabei beschwerdefreie Menschen. Die Ergebnisse verblüffen:
Bei 52 % der Patienten konnte eine Vorwölbung der Bandscheibe (= Protrusio, auch Bandscheibenvorwölbung oder Bandscheibenprotrusion genannt) nachgewiesen werden.
Bei 27 % konnte ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert werden und darüber hinaus wies 1% der Patienten einen Bandscheibenvorfall auf, der bereits auf das umliegende Gewebe drückte.
Bei 38 % aller Patienten blieben die Veränderungen nicht nur auf eine Bandscheibe beschränkt.
Erschreckend ist dabei, dass nur etwa 33 % aller Untersuchten angaben, unter Rückenschmerzen zu leiden. Dies verdeutlicht, dass eine diagnostische Treffsicherheit nur dann erreicht werden kann, wenn die diagnostischen Maßnahmen möglichst vollständig ergriffen werden. Stets müssen dabei unterschiedliche Symptome gegeneinander abgegrenzt werden, um eine sichere Diagnose "Bandscheibenvorfall" stellen zu können.

Alter und Häufigkeit

Die Bandscheibenvorfälle treten am häufigsten im Bereich der Lendenwirbelsäule auf, gefolgt von Banscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule, Vorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule sind als weitere Möglichkeit relativ selten.
Während Lendenwirbelsäulenvorfälle am häufigsten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auftreten, ist die Halswirbelsäule zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr erst später betroffen. Eine Bandscheibenprotrusion (Bandscheibenvorwölbung s.u.) kann schon wesentlich früher auftreten.
Im weiteren Lebensverlauf sind Bandscheibenvorfälle dann wiederum seltener vorzufinden, da dann verstärkt der Wasserverlust der Bandscheibe auftritt. Dies hat im Hinblick auf den Bandscheibenvorfall den „Vorteil“, dass der Gallertkern dickflüssiger wird und somit nur noch erschwert vorfallen kann.

Abbildung Bandscheibe

Abbildung Bandscheibe von oben (A) und von rechts (B)
  1. Bandscheibe(Zwischenwirbelscheibe) -
    Discus inter vertebralis
  2. Gallertkern Nucleus pulposus
  3. Faserring - Anulus fibrosus
  4. Rückenmarknerv - N. spinalis
  5. Rückenmark - Medula spinalis
  6. Dornfortsatz - Processus spinosus
  7. Querfortsatz -
    Processus transversus
  8. Oberer Gelenkfortsatz -
    Processus articularis superior
  9. Zwischenwirbelloch -
    Foramen intervertebrale
  10. Wirbelkörper - Corpus vertebrae
  11. Vorderes Längsband -
    Lig. longitudinale anterius

Anatomie der Bandscheibe

Bevor auf den Bandscheibenvorfall eingegangen wird, sollte zunächst der Begriff der Bandscheibe ausreichend geklärt werden. Erst wenn die Aufgaben und Eigenschaften der Bandscheiben geklärt sind, kann das Ausmaß des Bandscheibenvorfall und dessen Therapiemaßnahmen verstanden werden.
Position – Wo befinden sich „Bandscheiben“?
Zwischen zwei Wirbelkörpern der Wirbelsäule befindet sich eine knorpelige Verbindung, die man als Bandscheibe bezeichnet. Da sie zwischen zwei Wirbelkörpern liegt, bezeichnet man sie häufig auch als Zwischenwirbelscheibe. Wirbelkörper und Bandscheibe sind fest miteinander verwachsen. Mehr zum Thema Anatomie der Bandscheibe

Abbildung Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall (NPP)

  1. Wirbelkörper
  2. Bandscheibe
  3. Bandscheibenvorfall / Bandscheibenvorwölbung
  4. Dornfortsatz




Differenzierung Bandscheibenvorfall

Im Rahmen eines Bandscheibenvorfalles differenziert man zwischen:
  • einer Bandscheibenprotrusion (Bild unten), durch die es zu einer Vorwölbung des Annulus fibrosus kommt,
  • einem Bandscheibenprolaps (= Bandscheibenvorfall; Bild unten) in die Zwischenwirbellöcher oder – was wesentlich seltener vorkommt – in den Spinalkanal hinen.
  • einer Sequestration, in deren Folge die prolabierten Anteile keinerlei Verbindung mehr mit der ursprünglichen Bandscheibe haben.
Man sollte sich das so vorstellen:
  • Bei einer Bandscheibenprotrusion bleibt die Bandscheibe als solches zunächst noch intakt. Der innere Gallertkern wölbt sich nach vorne und drückt dabei auf den aus Bindegewebe bestehenden, knorpeligen äußeren Ring.
  • Beim einem Nucleus pulposus prolaps (NPP) hingegen tritt der Gallertkern durch den äußeren Ring teilweise aus. Der Teil, der austritt bleibt dabei allerdings mit dem restlichen inneren Gallertkern verbunden und kapselt sich nicht ab.
  • Ein Abkapseln des ausgetretenen Bereiches findet hingegen bei einer Sequestration statt: Der prolabierte Teil des Gallertkernes ist nicht mehr mit dem inneren Bereich verbunden.
Vorfallende Bereiche der Bandscheibe können mehr oder weniger stark auf Nervenwurzeln drücken, die unmittelbar an die Bandscheibe angrenzen. Hierzu zählt im unteren Lendenwirbelbereich auch der Ischiasnerv, der bei Druckausübung unter Umständen sehr heftige, starke Schmerzen auslösen kann (Ischiasschmerz = Ischialgie).

Gesunde Bandscheibe

  1. Nucleus pulposus (Gallertkern)
  2. Anulus fibrosus (Faserring)

Bandscheibenvorwölbung (Protrusio)

  1. Nucleus pulposus (Gallertkern)
  2. Anulus fibrosus (Faserring)
  3. Vorwölbung

Abbildung Bandscheibenvorfall (Prolaps)

  1. Nucleus pulposus (Gallertkern)
  2. Anulus fibrosus (Faserring)
  3. Vorfall

Ursachen

Die Bandscheibe besteht aus einem Faserring mit einem galertigen Kern. Kommt es zu einer Schwächung oder zu einer Rissbildung des Faserrings aufgrund von Fehl- oder Überlastung der Wirbelsäule, kann der geleeartige Kern aus der Bandscheibe entweichen = Bandscheibenvorfall. Dies geschieht in der Regel durch Verschleiß, sodass als
Risikofaktoren für einen Bandscheibenvorfall unter anderem Fettleibigkeit und Schwangerschaft gewertet werden.

MRT: Bandscheibenvorfall HWS

Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule


MRT Halswirbelsäule:
  1. Bandscheibe
  2. Wirbelkörper
  3. Rückenmark
  4. Bandscheibenvorfall

Symptome

Welche Symptome treten bei Bandscheibenvorfall auf?Oben wurde bereits auf die Studie verwiesen, die aufzeigte, dass nicht jeder Bandscheibenvorfall zwangsläufig Beschwerden in Form von Rückenschmerzen verursachen muss. Treten allerdings im Rahmen eines Bandscheibenvorfalles Beschwerden/ Symptome auf, so sind sie vor allem auf die Verlagerung des Gallertkernes zurückzuführen, der auf einzelne Nervenwurzeln, auf Nervenfaserbündel (im Bereich der Lendenwirbelsäule) und / oder das Rückenmark drückt.
Nachfolgend soll auf die Symptome des Bandscheibenvorfalls eingegangen werden, die durch Druck auf die oben erwähnten Bereiche ganz unterschiedlich ausfallen können. 
Symptome bei Druck gegen eine Nervenwurzel:
Druck auf Nervenwurzeln löst stets intensive Schmerzen aus, die in Arme und / oder Beine hinein ausstrahlen können. Mit diesen starken Schmerzen können auch Gefühlsstörungen auftreten, man spricht von: Ameisenlaufen, Kribbelgefühl, Taubheit. Je nach Stadium und Ausmaß des Bandscheibenvorfall können Symptome auch die Minderung von Muskelkraft oder gar Lähmungen einzelner Muskelbereiche zur Folge haben.

Symptome bei Druck gegen das Rückenmark:
Je nach Lokalisation des Bandscheibenvorfalles, variieren die Symptome. Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule können Gefühlsstörungen, Krämpfe (Spasmen) oder gar Lähmungen hervorrufen, wohingegen ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule beispielsweise Blasenlähmungen hervorrufen kann. Auch Lähmungen der Beinmuskulatur sind möglich.
Symptome bei Druck gegen Nervenfaserbündel, den Pferdeschweif (Cauda equina):Fehlende Beherrschung der Blasen- und Mastdarmfunktion, Sensibilitätsstörungen im analen und/ oder genitalen Bereich Innenseite der Oberschenkel, unter Umständen verbunden mit einer Lähmung der Beine. Mehr zum Thema Bandscheibenvorfall Symptome

Diagnose

MRT Bild Wirbelsäule
Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls beinhaltet verschiedene körperliche und apparative Untersuchungsformen. Darüber hinaus müssen auch Krankheiten, die ähnliche Symptome wie der Bnadscheibenvorfall aufweisen, im Rahmen einer Differentialdiagnostik ausgeschlossen werden.

Neurologische Untersuchung

Zur Diagnose oder zum Ausschluss eines Bandscheibenvorfalls ist eine eingehende neurologische Untersuchung notwendig. Sie kann differentialdiagnostisch beispielsweise eine Durchblutungsstörung der Beine, die so genannte Schaufensterkrankheit (= Claudicatio intermittens) ausschließen.
Darüber hinaus können Rückschlüsse auf die Lage, den Schweregrad, sowie die Beteiligung der Nerven gezogen werden.
Eine neurologische Untersuchung überprüft die Reflexe, die Beweglichkeit, sowie die Sensibilität, kann aber auch eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit beinhalten. Dies ist besonders dann von Bedeutung, wenn der Schweregrad des Bandscheibenvorfalles eingeschätzt werden und überprüft werden soll, welche Nervenwurzeln in Mitleidenschaft gezogen sind, bzw. ob eine Durchblutungsstörung vorliegt.

Konventionelle Röntgendiagnostik (Röntgenbild)

Aufnahmen in zwei Ebenen:
Mittels einer Röntgenaufnahme, die mindestens in zwei Ebenen (von vorne, von der Seite) durchgeführt werden sollte, kann man die knöcherne Struktur der Wirbelsäule beurteilen.
Darüber hinaus ist es möglich, den Patienten im Rahmen einer Funktionsaufnahme zu röntgen. Diese Spezialaufnahmen, die beispielsweise in Schräglage durchgeführt werden, lassen Rückschlüsse auf die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu.
Die Problematik der Diagnose Bandscheibenvorfall durch eine Röntgenaufnahmen liegt darin begründet, dass hier nur knöcherne Strukturen abgebildet, das restliche Weichgewebe und die Bandscheibe selbst nur indirekt abgebildet werden. Somit kann man die Wirbelsäule zwar von ihrer knöchernen Struktur her beurteilen, nicht aber – und das erscheint bei einem Bandscheibenvorfall besonders wichtig – die Situation der Bandscheibe und ihrer individuellen Problematik .

Myelographie

Im Rahmen einer Myelographie beim Bandscheibenvorfall injiziert man ein Röntgenkontrastmittel in den Nervensack (Duralsack). Durch das Kontrastmittel im Nervensack, wird das darin liegende Rückenmark inklusive der Nervenwurzel indirekt, in Form von Kontrastmittelaussparung sichtbar. Da allerdings mittlerweile auf sehr gute Schnittbildverfahren zurück gegriffen werden kann, setzt man die Myelographie mittlerweile nur noch sehr selten ein.
Gerade durch den Einsatz von MRT und CT lassen sich zur Zeit die genausten Aussagen über Größe und Lokalisation eines Bandscheibenvorfalls machen. Bei einer Computertomografie entsteht jedoch eine Strahlenbelastung auf das Organsystem.
Weitere Informationen finden Sie auch unter: Myelographie

Schnittbildverfahren

Computertomographie und die Magnetresonanztomographie stellen das Rückenmark und die Nervenwurzeln dar. Um zwischen entzündlichen und tumorösen Erkrankungen differenzieren zu können, kann über eine Tomographie hinaus zusätzlich Kontrastmittel injiziert werden.
  1. Wirbelkörper
  2. Protrusion (Vorwölbung der Bandscheibe)
  3. Rückenmark
  4. Bandscheibenvorfall

Prophylaxe

Es gibt keine spezifische Vorsorge, die vor einem Bandscheibenvorfall grundsätzlich schützt. Durch die Veränderung und Anpassung der Lebensweise, beispielsweise in Form von Kräftigung der Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur durch Training an einer adäquaten Kraftstation, kann allerdings das Risiko gemindert werden. Aus unserer und Erfahrung ist ein solches Training die beste und wichtigste Prophylaxe.
Zur Veränderung und Anpassung gehört natürlich auch eine richtige Arbeitshaltung bei Tätigkeiten im Berufsleben und im Haushalt. Beispielsweise sollten schwere Gegenstände aus der Hocke mit gestrecktem Rücken (ins Hohlkreuz gehen) gehoben werden. Beim Staubsaugen beispielsweise kann durch die Einstellung des Saugrohres eine aufrechtem entspannte Arbeitsposition erreicht werden. Bei überwiegend sitzender Tätigkeit ist es sinnvoll, in kürzeren Abständen aufzustehen und umherzulaufen. Speziell für diese Berufsgruppe gibt es auch Programme mit Entspannungs- und Lockerungsübungen. Eine ergonomische Anpassung der Sitzgelegenheiten durch höhenverstellbare Sitzflächen und Sitzlehnen kann zu einer Schonung der Wirbelsäule beitragen. Dies gilt besonders auch bei Berufskraftfahrern.

Prognose

Man kann keine exakte Vorhersage hinsichtlich der Prognose einer Bandscheibenerkrankung/ Bandscheibenvorfall erstellen. Ältere Patienten neigen allerdings häufiger zu einer Chronifizierung der Schmerzen, während man bei jüngeren Patienten mit akuten Schmerzen von langen, schmerzfreien Intervallen ausgehen kann.
Durch moderne Behandlungsverfahren kann auch eine chronische Erkrankung für Patienten erträglich werden. Der Grad der Besserung hängt dabei allerdings in besonderem Maße von der Eigeninitiative ab. Krankengymnastische Anwendungen gelten dabei auf die Dauer als besonders wirksam.

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